26.04.2015
Mit meinem Bruder haben wir ein Haus in der Provinz
geerbt. Die alte Dame, die uns das Anwesen hinterlassen hat, haben wir kaum
gekannt. Das einzige, was ich weiß, es war eine sehr gute Freundin unserer
Mutter und als wir mit meinem Bruder noch ganz klein waren, hat sie uns sehr
oft besucht. Leider kann ich mich nicht mehr an die Dame erinnern, mein Bruder
noch weniger.
Das Haus, oder besser gesagt, ein kleiner Schloss,
liegt mitten in einem kleinen Dorf. Früher muss es das Anwesen der Dorfherren
gewesen sein. Es ist wirklich sehr schön, mit kleinen Türmchen auf dem Dach und
einem riesigen Innenhof mit Pferdestall in der hinteren Ecke. Die Pferde sind
nicht mehr da, aber den Gestank kann man immer noch wahr nehmen.
Innen drin sieht es auch sehr pompös aus, obwohl
etwas runtergekommen und verlassen. In den Ecken hängen große Spinnenweben und
Staub, wo man nur hinsehen kann. Mit Roman stellen wir unsere Koffer in den
großen Empfangssalon hin und machen uns an die Arbeit. Ein wenig aufräumen und
die Möbel vom Staub befreien.
Am Nachmittag klopft es plötzlich an der Tür. Mit
Roman tauschen wir unsere Blicke, denn wir erwarten keinen Besuch. Ich gehe zur
Tür und als ich aufmache, steht da meine ehemalige Kollegin, Jana, mit einem
kleinen Baby auf dem Arm. Ich bin sehr froh sie zu sehen, obwohl ich nicht verstehe,
wie sie uns hier gefunden hat und was genau ihr Besuch zu bedeuten hat. Ich
glaube nicht, dass sie gekommen ist, um uns zu helfen. Sie beachtet mich kaum
und läuft direkt auf meinen Bruder zu. Sie schreit ihn regelrecht an und
schickt ihn nach drau0en ihre Koffer zu holen. Ich verstehe kein Wort und bin
sehr auf die Erklärung meines Bruders gespannt.
Erst am Abend bietet sich die Gelegenheit die
Situation aufzuklären. Ich, Roman und Jana setzen uns in dem riesigen Esszimmer
an den langen Esstisch hin und bei einem leckeren Abendessen und einem Glas
Wein erzählt Jana, was Sache ist.
Vor etwa einem Jahr hat sie meinen Bruder bei einem
Fest getroffen. Sie haben sich auf Anhieb sehr gut verstanden und es wurde mehr
draus. Irgendwann mal ist Roman dann mit der Philharmonie auf ein mehrmonatiges
Tournee gegangen und der Kontakt wurde komplett abgebrochen. Jana hat
inzwischen erfahren, dass sie schwanger ist und in dem Stadtkrankenhaus
entbunden. Bis jetzt konnte sie kein Kontakt zu Roman wieder aufnehmen, erst
vor ein paar Tagen hat sie von unserer Reise zu diesem Anwesen erfahren. Ich
bin ganz paff. Von einem Verhältnis zwischen den beiden habe ich nichts
gewusst. Das Problem ist, dass Roman inzwischen geheiratet hat und eigene
Familie erwartet.
Nachdem sich Jana zurück zieht und in ihrem Zimmer
verschwindet, stelle ich meinen Bruder zu Rede. Er ahnte nichts davon, was Jana
hier erzählt und er ist sich ziemlich sicher, dass er nicht der Vater ist. Zu
der Zeit hatte Jana auch noch eine andere Bekanntschaft und der junge Mann war
nicht gerade die beste Partie. Wir
verlegen das Ganze auf den nächsten Tag, denn mittlerweile ist es sehr spät
geworden.
Ganz früh morgens klingelt es wieder an der Tür.
Diesmal steht da ein Herr, der eine Möglichkeit zum Übernachten sucht. Er ist
angeblich ein Maler und kann sich revanchieren. Irgendwie schafft er es mich zu
überzeugen und ich lasse ihn rein. Ich gebe ihm das große Zimmer mit einem
Ausgang zum Hinterhof. Da kann er sich wirklich austoben und auch im Hof
ungestört seine Bilder malen. Beim Frühstück erzähle ich meinem Bruder von dem
neuen Besucher. Da wird er aufmerksam und sagt zu mir, dass muss der Mann sein,
der damals mit Jana auch zusammen war.
Gemeinsam eilen wir in das Zimmer des Künstlers. Wir
finden ihn mitten in Arbeit an einem neuen Bild. Er schenkt uns gar keine
Aufmerksamkeit, er bleibt in seiner Welt und widmet sich seiner Kunst.
Irgendwann mal kommt auch Jana dazu und versteht nicht, wie der Mann sie hier
gefunden hat. Dann erst kommt sie mit der Wahrheit raus. Roman ist gar nicht
der Vater und sie wollte nur die Gelegenheit nutzen, um sich in eine „jetzt“
reiche Familie einzuschleichen.
Letztendlich versöhnen wir uns wieder und lassen die
beiden in dem Haus wohnen. Während unserer Abwesenheit können die beiden auf
das Haus achten und der junge Künstler kann dort sogar eine kleine Kunstschule
aufmachen. So bleiben alle glücklich und wir haben jemanden, der sich um unser
Erbe kümmert.
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