28.04.2015
Ein Klassentreffen in der Slowakei steht an. Ich bin
bereits vor ein paar Tagen angekommen und die Zeit mit meiner Familie
verbracht. Heute Abend sollen wir uns alle in einem Lokal im Stadtzentrum
treffen. Ich mache mich gerade fertig, als meine Mutter kommt und fragt, wann
ich denn nach Hause kommen werde. Ich drehe mich um und sage, dass ich es nicht
weiß, es kann sehr spät werden, sie soll auf jeden Fall nicht auf mich warten.
Irgendwie passt es ihr nicht und sie will unbedingt
eine Uhrzeit von mir erfahren. Ich möchte mich aber nicht festlegen und das ganze
Gespräch eskaliert in einem Streit. Ich kann es nicht verstehen, wieso mich
meine Mutter immer noch wie ein kleines Kind behandelt. Solche Diskussionen
hatten wir bereits als ich noch ein Teenager war. Schon damals konnte ich diese
Fragerei nicht ausstehen.
Etwas sauer und aufgeregt, verlasse ich das Haus und
fahre in die Stadt. Erst wenn ich vor dem Lokal, wo ich mich mit den Anderen
treffen soll, stehe und die ersten ehemaligen Mitschüler sehe, komme ich auf
andere Gedanken. Innen drin ist für uns ein kleiner Raum, das „Séparée“ im
Untergeschoss, reserviert, damit wir
ganz für uns sein können. Es ist ein Weinkeller ohne Fenster und ziemlich
düster. Die Atmosphäre hat aber was an sich. Nach und nach kommen alle anderen
auch und wir bestellen uns ein paar Flaschen Wein.
Die Feier zieht sich bis in die frühen
Morgenstunden. Als wir den Keller endlich verlassen, wird es draußen langsam
hell, die Sonne geht auf und das Stadtzentrum füllt sich wieder mit Leben. Ich
bleibe noch eine Weile mit dem Rest von uns vor dem Weinlokal stehen. Nach und
nach löst sich auch diese Gruppe auf. Meine Freundin Danica lädt mich noch zu
sich nach Hause ein, ihr Mann konnte leider nicht mitkommen und sie meint er
möchte mich auf jeden Fall sehen bevor ich wieder nach Deutschland zurück
fahre.
Ich habe nichts dagegen und gehe mit ihr mit. Wir
laufen zusammen in die Fußgängerzone, dort sollen die beiden wohnen. Soweit ich
Danica verstanden habe, haben sie dort ihre Wohnung und neben dran betreiben
sie eine Nachtdiskothek. Vor dem Eingang stehen viele junge Leute rum. Als wir
vorbei laufen, kommt uns ein junger Mann entgegen. Er ist groß und schmal, hat
dunkles Haar und auffallend tiefe braune Augen. Es ist der Sohn von meiner
Freundin. Sie macht uns bekannt und dann sagt sie zu ihm, er soll bitte nach
Hause gehen und das Gästebett für mich vorbereiten.
Den Mann von Danica, auch unser ehemaliger
Mitschüler, finden wir hinter der Theke der Diskothek. Er ist gerade dabei
alles aufzuräumen und sauber zu machen. Nachher setzen wir uns hin und reden
über die alten Zeiten. Als wir das Lokal verlassen ist es bereits Mittag. Ich
entscheide mich doch nicht bei meiner Freundin zu übernachten, sondern nach
Hause zu gehen.
Ganz müde will ich mich auf den Weg machen, als ich
eine alte Lady auf der Straße sehe. Sie krümmt sich vor Schmerzen in einer Ecke
und keiner der Vorbeigehenden scheint es zu bemerken. Ich komme zu ihr und
frage, was ihr fällt. Sie schaut zu mir hoch und bittet mich sie in das nächste
Haus zu begleiten, dort ist nämlich ihre Wohnung. Ich helfe ihr hoch und stütze
sie etwas beim Laufen. Vor dem Eingang ins Haus bedankt sie sich bei mir und
schaut mich ganz komisch an. Dann fragt sie mich, ob ich nicht mit ihrer
Tochter in die Grundschule gegangen bin. Ich bin etwas überrascht und verwirrt.
Ich versuche mich an die Frau zu erinnern, leider vergeblich.
Erst wenn sie den Namen der Tochter erwähnt, weiß
ich um wen es sich handelt. Katka, war tatsächlich nicht nur eine Mitschülerin,
sondern auch gute Freundin von mir. Ich weiß, sie ist Schauspielerin geworden,
habe aber seit Langem nichts mehr von ihr gehört. Gleich erfahre ich auch
warum. Die alte Dame erzählt mir dann eine traurige Geschichte über ihre Tochter
und dass sie vor kurzem gestorben ist. Das trifft mich sehr und ich kann es
kaum glauben.
Auf dem Weg nach Hause muss ich ständig an Katka
denken. Es geht mir nicht aus dem Kopf, dass sie nicht mehr da sein soll.
Versunken in solchen Gedanken, merke ich gar nicht, dass ich die falsche
Straßenbahn nehme und anstatt nach Hause, fahre ich in komplett entgegen
gesetzte Richtung.
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