27.03.2015
Eine kleine indische Familie, Vater, Mutter und
Tochter, zieht in die Stadt. Der Vater ist schwer krank und deshalb soll ein
Nachlassanwalt aufgesucht werden. Die Eheleute verstehen sich leider nicht mehr
gut und der Mann verdächtigt die Frau sogar der Untreue.
Ich bin Anwältin für solche Fälle und als sie meine
Kanzlei betreten, spüre ich regelrecht den Hass des Vaters gegenüber der
Familie. Wir setzen uns hin und besprechen die Einzelheiten. Leider ist der
Ehemann nicht mit Allem einverstanden und letztendlich sagt er, dass er sich
eigenen Anwalt sucht und in ein paar Tagen können wir uns wieder treffen. Da
kann ich nichts dagegen sagen, das ist natürlich
sein Recht.
Zwei Tage später kommt er mit einer anderen
Anwältin. Wir sprechen über alle Details, bezüglich der Ersparnisse des Mannes
und der Investitionen. Es wird, trotz allen Widersprüchen, alles auf die Frau
gehen. Sie soll die minderjährige Tochter, zumindest bis sie erwachsen und
selbständig ist, versorgen können. Die
Vereinbarungen werden unterschrieben und alle gehen zufrieden nach Hause.
Ich sehe die Familie, zumindest ein Teil, erst
wieder nach dem Tod des Familienvaters. Beim Nachlassanwalt soll das Testament
und die Vereinbarung vorgelesen werden. Als der versiegelte Umschlag eröffnet
wird und ich höre, was vorgelesen wird, traue ich meinen Ohren nicht. Ich, als Anwältin
der Frauen, will es sehen, weil es nicht das ist, was unterschrieben wurde.
Als ich das lese, kann ich es einfach nicht glauben.
Es ist eine neue Zusatzvereinbarung, wonach die Ebay Aktien nicht an die Frau
gehen werden, ausschließlich nur die Ersparnisse. Es ist ihre eigene Erklärung,
in der sie auf die Aktien verzichtet und die sie selbst unterschrieben hat.
Dann Schaue ich auf das Datum, denn irgendetwas kommt mir sehr verdächtig vor. Erst
jetzt erkenne ich, dass dieses Dokument nach unserem Gemeinsamen Treffen mit
der Anwältin des Ehemannes aufgesetzt und unterschrieben wurde.
Ich gehe zu der Ehefrau und frage sie, wann sie
diese Einverständniserklärung unterschrieben hat. Sie schaut mich an und sagt,
die Anwältin hat ihren Mann zu Hause besucht. Beide waren im Zimmer
eingeschlossen, um zu sprechen. Sie weiß nicht worum es da ging. Nach ein paar
Stunden kamen beide raus und sie sollte auf die Schnelle ein Stück Papier noch
unterschreiben, dass letztes Mal vergessen wurde. Sie sagten, es ist nur, um
die Unterschrift zu verifizieren, ansonsten wäre die Vereinbarung ungültig.
Jetzt fange ich an zu verstehen. Die arme Frau wurde
komplett über den Tisch gezogen. Ich bin auf sie sauer, denn ich habe ihr
ausdrücklich gesagt, nichts mehr zu unterschreiben und bestimmt nicht ohne
meine Anwesenheit. Obwohl ich weiß, dass die Mutter nicht so gut Deutsch kann
und nicht versteht, was in solchen Verträgen, Vereinbarungen oder Erklärungen
steht, kann ich mir eine Standpauke nicht verkneifen.
Ich versuche zu verstehen, wieso sie es gemacht hat.
Sie hat einfach der Anwältin vertraut und deshalb nichts durchgelesen. Sie hat
nur unten gesehen „Unterschrift“ und deshalb unterschrieben. Ich erkläre ihr,
das nächste Mal, wenn sie so etwas vorgelegt bekommt, soll sie, egal wie lange
es dauert, alles gründlich lesen, bis sie versteht, was sie da unterschreibt.
Wenn die andere Seite keine Geduld hat zu warten, dann nur entgegennehmen und
sagen, am nächsten Tag wird’s gebracht.
Erst später erfahre ich, dass ihr Ehemann inzwischen
alle seine Ersparnisse in die Ebay Aktien angelegt hat, so dass die gute Frau
heute von dem Nachlass nichts bekommt. Ich werde versuchen in den nächsten
Tagen ihr Recht doch noch durchzuboxen. Sie und ihre Tochter haben sonst
nichts, wovon sie leben könnten.
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