22.07.2014
Ich sitze in der letzen Vorlesung
heute. Danach möchte ich meine Kommilitonin Terezka besuchen, sie ist vor ein
paar Wochen schwer erkrankt und seit dem kann sie nicht mehr laufen, sie ist
praktisch aufs Bett „gefesselt“. Bis heute konnte ich sie nicht sehen, die
Ärzte haben Kontakt zu ihr verboten wegen Infektionsgefahr. Ich weiß sie hat in
ein paar Tagen Geburtstag und wollte mir was ausgefallenes, was einzigartiges
ausdenken, was ihr Freude bereitet und sie nie vergessen wird. Vielleicht werde
ich beim heutigen Besuch etwas entdecken, was mir eine Idee gibt.
Bei Terezka angekommen, spaziere
ich in ihr Zimmer mit Lächeln am Gesicht und umarme sie fest. Obwohl ich
lächle, in meine Augen drängen sich Tränen und ich versuche sie mit aller Kraft
aufzuhalten. Ich setze mich gegenüber dem Bett auf einen Bürostuhl mit Rollen,
der an einem riesigen Schreibtisch steht. Das Bett ist quer zum Eingang
aufgestellt und nimmt sehr viel Platz mit. Es ist ein Spezialbett mit allem
möglichen Schnick-Schnack, mit Monitor, Motor für den Kissenbereich und Füße,
mit einem beweglichen Computergestell und allen Anschlüssen, die man heutzutage
braucht.
Terezka liegt jetzt sitzend und
vor ihr hat sie ein Laptop, wo sie ganzen Tag was schreibt und im Internet mit
dem Rest der Welt kommuniziert. Sie erzählt mir wie alles mit der Krankheit
verlaufen ist und dass sie wo möglich nie wieder laufen wird. Dabei kommen ihr
Tränen in die Augen, sie überspielt die Situation sehr geschickt und fängt an
mich über die Uni und unsere Kommilitonen
auszufragen. Ich habe eigentlich nicht viel zu erzählen, versuche aber
alle pikante Details raus zu picken.
Unser Gespräch wird von dem
Betreuer unterbrochen, als er das Zimmer betritt. Er schaut nach den Geräten
neben Terezkas Bett und dann geht er in die Ecke, wo sein kleiner Arbeitstisch
aufgestellt ist und setzt sich hin mit dem Rücken zu uns. Wir unterhalten uns
noch lange, bis es spät wird und ich nach Hause muss. Ich verabschiede mich von
Terezka und verspreche am nächsten Tag wieder zu kommen. Der Betreuer begleitet
mich bis zur Tür, da halte ich an, drehe mich zu ihm um und frage, was Terezka
so den ganzen Tag macht und was bringt sie momentan zum Lachen, wenn überhaupt.
Er denkt kurz nach und dann sagt er zu mir, dass sie viel im Internet surft und
momentan viel klassische Musik hört. Ich bedankte mich und ging weg.
Am nächsten Tag kam mir dann die
Idee für den Geburtstag von Terezka. Mein Bruder spielt doch in der
slowakischen Philharmonie, vielleicht könnte er ein kleines Privatkonzert für
sie organisieren. Je mehr ich drüber nachgedacht habe, desto besser gefiel mir
die Idee. Ich habe mir eine Überraschungsparty ausgedacht, wo mein Bruder mit
seinen Kollegen ein Konzert geben und alle Freunde eingeladen werden. Über wen
sie sich auch freuen würde, ist ihre ehemalige Lehrerin, von der sie letztens
sehr viel gesprochen hat und erwähnt hat, sie würde sie gerne wieder sehen.
Also machte ich mich an die
Arbeit, organisierte alle Freunde, fand die Nummer der Lehrerin heraus, rief
meinen Bruder an und sprach mit dem Betreuer von Terezka. Die Lehrerin konnte
ich zwar nicht erreichen, konnte ihr aber eine Nachricht hinterlassen. Ein paar
von unseren Freunden werden nicht kommen können, aber die meisten haben
zugesagt. Mein Bruder hat die Idee super gefunden und sprach auch schon mit ein
paar von seinen Kollegen. Sie können kleines Kammerorchester zusammen stellen
und in den paar übrig gebliebenen Tagen was einstudieren. Mit dem Betreuer
haben wir den ganzen Ablauf geplant und uns überlegt wie alle Leute
untergebracht werden, vor Allem wo der Orchester spielen soll, da in Terezkas
immer kaum Platz ist.
An dem Tag von Terezkas
Geburtstag habe ich noch letzte organisatorische Sachen erledigt. Was mich
traurig machte, die Ex-Lehrerin hat sich nicht zurück gemeldet und ich weiß
nicht wo ich sie noch erreichen könnte. Ich versuche es noch den ganzen
Vormittag, bekomme sie aber nicht zu sprechen. Ich hinterlasse die letzte
Nachricht, dass wir uns um zwei alle vor Terezkas Haus treffen und sollte sie
es doch schaffen, soll sie auf jeden Fall direkt dorthin kommen.
Bei Terezka angekommen, waren
bereits alle da und haben auf mich gewartet. Mit dem Betreuer sind wir rein und
im Flur, direkt vor der Zimmertür zu Terezkas Raum hat er die Stühle und
Notenständer für das Orchester aufgestellt. Ich holte meinen Bruder, der
draußen gewartet hat und er bereitet alles so vor, dass wenn die Tür aufgeht, der
Orchester gleich anfängt zu spielen. Alle anderen werden dahinter stehen und
auf Kommando kommen sie nach einander zu Terezka und gratulieren ihr.
Kurz nach zwei stehe ich noch vor
dem Haus und halte Ausschau nach der Lehrerin. Weit und breit kann ich aber
keine Menschenseele sehen, also gebe ich enttäuscht endlich auf und gehe rein.
Ich denke, Terezka wird sich auch so über die Überraschung freuen. Alle sind
jetzt im Flur versammelt, ich gehe vor und trete in das Zimmer herein. Ich tue
so, als ob es ganz normaler Besuch wäre. Dann mitten im Gespräch stehe ich auf
und gehe zu Tür. Terezka beobachtet mich und bestimmt versteht nicht, wieso ich
plötzlich die Tür aufmachen möchte. In dem Moment als ich die Klinke anfasse
hört man von dem Flur leise Musik und als die Tür aufgeht, wird sie immer
lauter und deutlicher. Terezka richtet sich in ihrem Bett gerade, um den Flur
so weit wie möglich zu überblicken und ihr Mund geht auf, als sie meinen Bruder
und den kleinen Kammerorchester sieht. Fast schon zum Schluss des Musikstücks,
kommen alle Freunde von hinten einer nach dem anderen in das Zimmer und
gratulieren Terezka zum Geburtstag. Sie kann sich jetzt nicht mehr halten und
die Tränen brechen förmlich aus den Augen heraus.
Ich war sehr glücklich, dass
alles so gut geklappt hat und dass ich, wenigstens an diesem Tag, meine
Freundin aufheitern konnte. Später habe ich dann erfahren, dass auch die
ehemalige Lehrerin sich bei Terezka gemeldet hat, sie konnte persönlich nicht
erscheinen, hat ihr aber eine sehr lange und herzliche E-Mail geschickt.
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